Arbeiter:innen, Gewerkschaftsvertreter:innen, Theolog:innen und Vertreter:innen der christlichen Kirchen, Geisteswissenschaftler:innen, Pädagog:innen, politisch Engagierte, Künstler:innen, Studierende, Jüdinnen und Juden, Angehörige des Militärs, private Helfer:innen und Retter:innen und viele andere – ganz unterschiedliche Menschen waren im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv und riskierten dabei ihr Leben. Die Ausstellung „Galerie der Aufrechten“, die noch bis 25. Januar im Schlossbau der Pädagogischen Hochschule Weingarten (PH) gezeigt wird, gibt vielen dieser Widerstandskämpfer:innen und ihren vielgestaltigen Aktionen ein Gesicht. Mehr als 30 Künstlerinnen und Künstler haben sich mit ihren Werken den Menschen des Widerstands genähert, um Empathie zu wecken und die biografische Vielschichtigkeit der Unangepassten darzustellen. Gezeigt werden rund 60 Porträts von engagierten Widerständler:innen und auch Opfern des NS Regimes – etwa die Hälfte von ihnen steht durch ihre Herkunft oder Tätigkeit im Bezug zum deutschen Südwesten. Die anderen stammen aus dem gesamten damaligen Reichsgebiet.
„Die Ausstellung setzt damit einen Schwerpunkt auf Regionalität und erreicht zugleich einen hohen Grad an Repräsentativität für den NS-Widerstand insgesamt“, sagt Uwe Hertrampf vom Denkstättenkuratorium NS Dokumentation Oberschwaben. Die Ausstellung stellt für Katja Helpensteller, akademische Rätin des Fachs Kunst, den Ausgangspunkt für das Seminar „Kunst und Widerstand“ dar. Im Seminar befassen sich die Studierenden mit der Aktualität der Thematik und der Frage nach den Aufgaben und Möglichkeiten der kunstvermittelnden Tätigkeit. Die Beteiligten des Projekts bieten auch Führungen durch die „Galerie der Aufrechten“ an. Getragen wird das Projekt vom Studentenwerk Weiße Rose e. V., initiiert wurde es vom Denkstättenkuratorium unter der damaligen Federführung des 2016 verstorbenen Professors Dr. Wolfgang Marcus. Zahlreiche Sponsoren haben diese Wanderausstellung möglich gemacht, die auch schon in anderen Städten in Deutschland und Österreich sowie 2019 in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Weingarten zu sehen war. Uwe Hertrampf hat auch die Texttafeln zu den Bildern verfasst. „Sie sollen die Motive und die jeweiligen Herangehensweisen der mutigen Frauen und Männer veranschaulichen“, so der frühere Geschichtslehrer.
Unterschiedlich wie die Porträtierten selbst sind auch die Porträts in ihrer künstlerischen Vielfalt. Alle bestechen durch ihre Ausdrucksstärke – unabhängig davon, ob in ihnen das Grau-Schwarze oder das Bunte dominiert. Manche sind mit Zitaten, Zahlen oder Attributen versehen, andere wieder kommunizieren durch ihre schlichte Einfachheit mit dem Betrachter.
Die Studierenden haben im Rahmen des Seminars ein Begleitprogramm zur Ausstellung vorbereitet, sich mit den in der „Galerie“ thematisierten neun verschiedenen Widerstandsgruppen intensiv auseinandergesetzt und auch Hausarbeiten geschrieben. „Wir haben uns einmal pro Woche getroffen, über das Thema Widerstand in der Kunstvermittlung gesprochen und wir sind auch auf Exkursionen gegangen“, berichtet Bettina Abt, die das Thema Widerstand gegen das NS-Regime als Prüfungsthema gewählt hat. Es sei schade, dass deutlich weniger Frauen als Männer porträtiert seien, bedauert sie. Doch es gibt sie – unter ihnen beispielsweise die jüdische deutsch-US-amerikanische politische Theoretikerin und Publizistin Hannah Arendt, die kommunistische Widerstandskämpferin Lilo Herrmann oder auch Maria Grollmuß, die deutsche katholische sorbische Publizistin und sozialistische Widerstandskämpferin.
„Wenn man die Porträts betrachtet, hat man das Gefühl, die Personen schauen einen fragend und auffordernd an“, sagt eine Ausstellungsbesucherin. Die „Galerie der Aufrechten“ stelle die Frage nach dem eigenen „Aufrechtsein“ heute in den Raum und ermutige zu einem „aufrechten“ Gang, betonen die Kunststudierenden. Sie haben Pinnwände aufgestellt, an denen die Besucher ihre Gedanken zur Ausstellung und zu den Themen Widerstand, Diskriminierung, Mut und Zivilcourage äußern können. Manche Texttafeln haben sie abgedeckt und mit Fragen bestückt, die den Betrachter zur intensiven Auseinandersetzung mit den Porträts einladen. Vor allem auch für Schulklassen sei dies wichtig, so Kunststudent Simon Braunwarth. „Nicht nur wir blicken in oder auf das Gesicht, sondern es blickt uns auch umgekehrt von sich aus an. Wir begegnen einem anderen Wesen, in dem wir uns selbst wiedererkennen. In dieser Begegnung kann sich Erschrecken einstellen oder Staunen, Interesse oder Abneigung, Liebe, Angst, Ekel usw.“, zitiert Katja Helpensteller aus dem Buch „Das Porträt. Menschendarstellung in Kunst und Kultur“ von Hubert Sowa. Wer die „Galerie der Aufrechten“ besucht, sollte daher nicht nur Interesse, sondern auch Zeit mitbringen.
INFO: Die Ausstellung „Galerie der Aufrechten“ kann vom 2. bis 25. Januar 2023 im Schlossbau der Pädagogischen Hochschule Weingarten, erstes Obergeschoss, besichtigt werden. Die Öffnungszeiten des Schlossbaus sind vom 2. bis 5. Januar von 9 bis 16.15 Uhr und ab dem 9. Januar wieder Montag bis Freitag von 7 bis 20.30 Uhr; Samstag von 8 bis 16 Uhr.
Kostenlose Führungen von Gruppen und Schulklassen ab dem 9. Januar können per E-Mail unter info(at)dsk-nsdoku-oberschwaben.de oder Telefon 0751 / 46815 vereinbart werden. Öffentliche Führungen finden am 12., 20. und 25. Januar, jeweils von 18 bis 19.30 Uhr, statt.
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Text und Fotos: PH/Barbara Müller