Wie gerne sucht und findet man auch. Aber manchmal will dies nicht so richtig gelingen. Momente des verzweifelten Suchens sind oft nervenaufreibend. Die Gedanken drehen sich im Kreis, nichts scheint vorwärtszugehen. Dass diese Thematik viele Menschen beschäftigt, zeigte das große Interesse an dem neuen Veranstaltungsformat „Art Gallery“ in der Galerie Weingarten. Rund 40 Gäste – Bürgerinnen und Bürger, Vertreterinnen und Vertreter der Pädagogischen Hochschule Weingarten (PH) sowie Studierende – waren zu dem angekündigten Austausch von Kunst und Philosophie gekommen, bei dem sich die PH-Kunst- und Ethikstudentin Carina Hirschle und PH-Professor Dr. Philipp Thomas (Philosophie und Ethik) im Wechselspiel dem Phänomen von „Suchen und Finden“ annäherten und die Gäste zum gemeinsamen Nachdenken anregten.
Er freue sich sehr, dass das neue Format ein so großes Interesse finde, sagte Galerie-Leiter und PH-Kunstprofessor Dr. Martin Oswald in seiner Begrüßung. „Ich möchte die Galerie auch zu einem Ort des Austauschs an der Nahtstelle zwischen Stadt und Hochschule, Bürgern und Studierenden machen.“ Daher werde es künftig nicht nur Kunstausstellungen, sondern auch Austausche und Gespräche über Kunst und relevante gesellschaftliche Themen geben, kündigte er an und bedankte sich bei den PH-Fächern Kunst und Ethik für die Organisation dieser ersten „Art Gallery“.
Carina Hirschle hatte für den Abend drei ihrer Arbeiten ausgewählt. Sie begann mit dem Thema „Suchen, aber nicht finden“ und präsentierte als erstes Werk ihre dreiteilige Fotografie-Serie mit dem Titel „Verzweiflung“. „Man sucht und sucht. Es bauen sich Spannungen und Ängste auf, Verzweiflung stellt sich ein“, so ihre Beschreibung. Diese Verzweiflung aber habe sie dazu geführt, einen Weg einzuschlagen, welcher einerseits das Gefühl verarbeitete und andererseits durch die Kunst für den Betrachtenden sichtbar werde. Professor Thomas verwies auf das Kapitel „Finden und Gefundenwerden“ in seinem Buch „Von der Tiefe des Lebens“. Dieses handle von einem devianten, einem abweichenden, explizit anderen Suchen nach Erkenntnis. Als er Carina Hirschles Werkzyklus „Suchen und Finden“ gesehen habe, habe er eine nahe Verwandtschaft zwischen ihrer künstlerischen Suche und ihrem künstlerischen Finden einerseits und der von ihm gemeinten, ganz eigenen, abweichenden, alternativen philosophischen Suche und dem anderen philosophischen Finden andererseits empfunden. Thomas: „Ich denke, wir können bei dieser Schnittmenge von Kunst und Philosophie von ästhetischer Vernunft sprechen.“ Die übliche philosophische Suche, so Professor Thomas weiter, wolle das noch nicht Begriffene begreifen. Die alternative Suche kehre die Richtung um und wolle dem Erfahren wieder Raum geben und damit dem Gefundenwerden eine Möglichkeit verschaffen. „Wenn wir in der begreifenden und bestimmenden Suche verharren, dann können wir das Wesentliche nicht finden“, so Thomas.
Durch das Hinterherrennen nach einer nächsten Idee, einem Fund, der sie inspiriere und den sie nicht finden konnte, habe sie sich in einer Sackgasse verrannt und „eine Pause, eine Auszeit, eine Leerstelle“ gebraucht, schilderte Carina Hirschle die Entstehung ihrer zweiten Arbeit mit dem Titel „Nichts Finden“. Ihre Präsentation Nichts: drei Minuten Ruhe, in der ein Beamer nur eine leere weiße Wand anstrahlt, regte das Publikum spürbar zum Nachdenken und zum stillen inneren Diskurs an. Die Bedeutung des Nichts gehe in unserer beschleunigten Welt verloren, gab Carina Hirschle zu bedenken. Suchen, aber nicht finden, könne darauf hinweisen, dass es Zeit werde, wieder einmal das Nichts zu suchen.
Während des Seminars LandArt im Sommersemester 2020 an der PH habe sie nach einem passenden Ort gesucht, an dem sie in Coronazeiten eine künstlerische Arbeit verwirklichen konnte, leitete Carina Hirschle zu ihrer dritten Arbeit „Suchen und Finden“ über, die sie in einer faszinierenden Bilderserie festgehalten hat. Am Ortsrand der Gemeinde Kißlegg in einer Baumallee „hat mich ein ausgehöhlter Baumstamm gefunden und ich durfte mein eigenes Naturverständnis weiterentwickeln“. In ihren Überlegungen sollte, angelehnt an die Künstlerin Laura Ellen, ein Weiden-Konstrukt entstehen. Sie habe Weidenruten geschnitten, diese trocknen lassen und danach mit frischem Hartriegel und Ton verschiedene Formen exploriert. Immer mehr Ideen seien entstanden: züngelnde Flammen oder eine Kletterpflanze, die aus dem Baumstamm hervorgehen. „Mein Interesse war es, im künstlerischen Sinn eine Botschaft zu vermitteln. Aus etwas Totem sollte etwas neues Lebendiges entstehen.“ Von April bis Oktober 2021 arbeitete Carina Hirschle an ihrem LandArt-Projekt im öffentlichen Raum. Immer wieder sei sie dabei mit fremden Personen, die sich für ihre Arbeit interessierten, ins Gespräch gekommen. „Mir ist bewusst, dass dieses Konstrukt nicht überdauern wird. LandArt ist geprägt von der Vergänglichkeit – aber auch wenn etwa stirbt, entsteht wieder etwas neues Lebendiges“, so die Kunststudentin.
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Text und Foto: PH / Barbara Müller