Es ist Freitagmorgen. Im Naturwissenschaftlichen Zentrum auf dem Martinsberg geht es noch ruhig zu, nur im Bereich des Fachs Chemie ist ein fröhliches Stimmengewirr zu hören. 21 Drittklässler aus der Grundschule Kuppelnau, Außenstelle St. Christina, sind mit ihrer Lehrerin Judith Jassniger an die Pädagogische Hochschule Weingarten (PH) gekommen, um das neu eingerichtete innovative Grundschülerlabor, das im Lehr-Lern-Labor Ex3 – Lab verortet ist, in einem ersten Durchlauf zu testen. „Wir ziehen sogar richtige Laborkittel an und bekommen Schutzbrillen“, ruft ein Mädchen ganz aufgeregt. Strahlend nehmen die jungen Hochschul-Besucher ihre Ausstattung in Empfang und machen sich laborfertig. Ihre Kittel ziert das eigens für das Projekt entwickelte Logo „Science4Kids“.
„Wenn dieser Versuchslauf erfolgreich ist, werden wir regelmäßig Schulklassen einladen, jeweils einen Vormittag an die PH zu kommen, um in unserem Labor unter fachkundiger Betreuung zu experimentieren“, berichtet Chemie-Professorin Dr. Isabel Rubner. Sie hat die Idee eines Grundschullabors von der PH-Freiburg mitgebracht und in Weingarten initiiert. Das Grundschullabor ist ein kooperatives Projekt der Fächer Chemie, Biologie, Physik sowie Sachunterricht und soll im Rahmen von Lehrveranstaltungen sowie Bachelor- oder Masterarbeiten verstetigend weiterentwickelt werden. Zielgruppen des Projekts sind Grundschülerinnen und -schüler der zweiten bis vierten Klasse aus der Region Ravensburg-Weingarten. „Wir möchten das Angebot für alle Schulen öffnen, sodass wir jedes Jahr rund 500 Schülerinnen und Schüler erreichen und ihr Interesse für naturwissenschaftliche Fächer und MINT-Themen steigern können.“
Voll Tatendrang belegen die Mädchen und Jungen ihre Laborplätze. Sie erhalten Namensschilder und erfahren, was in einem Labor zu beachten ist: Kittel anziehen, Schutzbrille tragen, nichts essen und nichts trinken, nicht rennen, so die Hinweise. Haargummis werden verteilt, da lange Haare besser zusammengebunden werden sollten, und natürlich gilt es auch, die Arbeitsplätze am Ende wieder aufzuräumen. „Ganz wichtig: Genau lesen!“ und „Vorsicht mit Feuer! Diese Versuche nur mit Erwachsenen durchführen“, lauten wichtige Anordnungen. Dann kann es losgehen: Kleingruppen werden gebildet, die neugierigen Junior-Forscher arbeiten in Teams. Betreut und angeleitet werden sie von 14 Lehramtsstudierenden.
Jedes Team erhält eine Kiste, bestückt mit Alltagswerkzeugen und Materialen, die bekannt sind: Eimer, leere Plastikflaschen und Gläser, Teebeutel, Föhn, Tischtennisbälle und Luftballons, Rosinen und Gummibärchen, Watte, Teelichter, Backpulver, Essig und andere. Melten Turan hat die Ausgestaltung der Versuche im Rahmen ihrer Bachelorarbeit vorgenommen, die sie über das innovative Laborprojekt geschrieben hat, und sie hat das Skript für ein Junioren-Forscherdiplom erarbeitet. Dank einer Förderung durch die Bildungsstiftung der Kreissparkasse Ravensburg konnten zwölf Materialkisten, Laborkittel, Garderobe und Podeste angeschafft und das Projekt zeitnah umgesetzt werden, berichtet Professorin Rubner. Eine langfristige finanzielle Unterstützung für Verbrauchsmaterialien soll über weitere Förder- und Projektpartner erfolgen.
Experimentiert wird an diesem Vormittag zu den Themen Wasser, Feuer und Luft. Die „Science-Kids“ erfahren dabei unter anderem, wie es möglich ist, mit einem Föhn Tischtennisbälle in der Luft schweben zu lassen, wie Gummibärchen in Wasser tauchen können, ohne nass zu werden, wie Rosinen in Sprudelwasser tanzen oder wie ein leerer Teebeutel zur Rakete werden kann. „Das ist so toll, das probiere ich zu Hause mit meinem Vater noch mal aus“, jubelt ein Junge, als sein leerer, als Röhre aufgestellter Teebeutel am oberen Rand angezündet wird, abbrennt, die Asche in die Luft schwebt und er sie mit einem Teesieb auffängt. Begeistert und wissbegierig dokumentieren die Labor-Junioren in den Forscher-Diplom-Skripten die Versuche, beantworten Fragen und erklären, was in den Experimenten passiert. Die Teams dürfen individuell Pausen machen, aber es dauert einige Zeit, bis sie Gebrauch davon machen. Die Begeisterung ist zu groß und die Zeit vergeht wie im Flug. „Jetzt sind wir richtige Forscher“, strahlen sie, als sie abschließend ihre Forscher-Diplome erhalten. Verabschiedet werden sie mit einem letzten Experiment vor dem Naturwissenschaftlichen Zentrum. Mit Wasserstoff gefüllte Luftballons werden mit einer Wunderkerze zur Explosion gebracht.
Von dem neuen Schülerlabor-Angebot rundum begeistert sind auch Lehrerin Judith Jassniger und die begleitende Mutter Veronika Preißhofen. „Wir hätten nie gedacht, dass die Mädchen und Jungs so lange konzentriert durchhalten“, sind sie sich einig. Sie loben die Vielfalt an Experimenten, wie gut diese erklärt werden und wie viel die Schülerinnen und Schüler dabei selbst machen dürfen. „Wir bedanken uns herzlich, werden diesen erlebnisreichen Vormittag im Unterricht nachbereiten und kommen sehr gerne wieder“, sagt Lehrerin Jassniger.
Das innovative Schülerlabor Science4Kids an der PH biete eine Win-win-Situation, betont Professorin Rubner, glücklich über den erfolgreichen Testlauf. In den kleinen Teams würden neben handwerklichen Kompetenzen auch Konzentration, Kommunikation, Kollaboration und Kreativität der Schülerinnen und Schüler gefördert. Die Lehramtsstudierenden wiederum könnten wertvolle praxisnahe Erfahrungen in der Betreuung und beim Experimentieren sammeln und Credit Points für ihr Studium erwerben.
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Text und Fotos: Barbara Müller