Immer noch sind etwa 12 Prozent der deutsch sprechenden Erwachsenen gering literalisiert, können also maximal kurze Sätze lesen und schreiben. Professorin Dr. Cordula Löffler und Professorin Dr. Ilka Koppel von der Pädagogischen Hochschule Weingarten (PH) setzen sich dafür ein, dass sich daran etwas ändert.
Sie leiten den Masterstudiengang Alphabetisierung und Grundbildung, der sowohl Fachkräfte aus der Erwachsenenbildung als auch Lehrerinnen und Lehrer weiterqualifiziert um zum Beispiel Lese- und Schreibkurse für Erwachsene an Volkshochschulen anzubieten oder Schülerinnen und Schüler mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) früher zu erkennen und besser zu fördern.
Obwohl dieses Studienangebot deutschlandweit einzigartig ist, gibt es jedoch sehr wenige Studierende. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie Löffler und Koppel in einem Gespräch mit der Landtagsabgeordneten Dr. Dorothea Kliche-Behnke (SPD) bei einem Besuch an der PH Weingarten erörterten. In der Erwachsenenbildung etwa gebe es sehr wenige feste Stellen, und die Bezahlung sei schlecht, erklärte Koppel.
Geringe Lese- und Schreibkenntnisse sind nicht nur ein großes Problem für die Betroffenen selbst, die in vielen Bereichen von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen sind, sondern auch ein Problem für die Gesellschaft. Auf der einen Seite gibt es einen großen Mangel an Fachkräften, auf der anderen Seite sitzen in den Berufsschulen sehr viele Schülerinnen und Schüler, die nur schlecht lesen, schreiben und rechnen können, berichtete Löffler. Und die Lehrkräfte in den Berufsschulen seien oft nicht speziell qualifiziert, dies zu erkennen und die Schülerinnen und Schüler angemessen zu fördern. „Die Absolventinnen und Absolventen unseres Studiengangs könnten hier eingesetzt werden, um diese Zielgruppe intensiv und passgenau zu unterstützen.“ Das Bildungssystem sieht dies bislang nicht vor, hier möchte Kliche-Behnke die Entwicklung vorantreiben.
„Zwölf Prozent der Deutsch sprechenden Bevölkerung zwischen 18 und 64 in der Bundesrepublik können höchstens einfachste Sätze lesen oder schreiben. Im Alltag stehen die Betroffenen teilweise vor massiven Problemen. Mit dieser Situation dürfen wir uns als Gesellschaft nicht abfinden. Deshalb brauchen wir mehr qualifizierte Fachkräfte“, erklärte Kliche-Behnke.
In einem Gespräch mit Studierenden des Masters Alphabetisierung und Grundbildung wurde deutlich, welche Motivation die Studierenden haben und wo sie auch berufliche Schwierigkeiten sehen. Zum Beispiel führt der Masterabschluss bei Lehrkräften im Schulsytem nicht zu einer besseren Bezahlung und im Bereich der Grundbildung sind sozialversicherungspflichtige Stellen rar. „Die Studierenden brennen dafür, den Betroffenen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag, um ein leider stark stigmatisiertes Problem zu lösen. Ich bin überzeugt, dass es in der Zukunft vielfältige Berufe im Schulsystem, in der Erwachsenenbildung und in der sozialen Arbeit geben wird, in denen sie ihre Expertise einbringen können“, so Kliche-Behnke.
Am Ende waren sich Löffler, Koppel und Kliche-Behnke einig: Die Beschäftigungsbedingungen derjenigen, die in diesem Bereich aktiv sind, müssen verbessert werden. Alphabetisierung und Grundbildung müssen im Bildungssystem strukturell verankert werden, damit auch für Jugendliche und junge Erwachsene niedrigschwellige Angebote zur Verfügung stehen, die ihnen letztendlich eine Berufsausbildung erst ermöglichen. Unterstützen müssen dabei nicht nur die Bildungsinstitutionen, sondern auch die Politik.
Weitere Infos zum Masterstudiengang Alphabetisierung und Grundbildung unter:
www.ph-weingarten.de/studium-weiterbildung/masterstudiengaenge/alphabetisierung-und-grundbildung/
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Text: Prof. Dr. Ilka Koppel, Prof. Dr. Cordula Löffler, Dr. Dorothea Kliche-Behnke, Arne Geertz