Im Hintergrund steht ein Sachproblem: Weshalb fällt es (uns allen) so schwer zu akzeptieren, dass ganz verschiedene Lebensentwürfe nebeneinander existieren? Dies hat mit elementaren Prozessen der Identitätsbildung zu tun. Der Ausschluss des Fremden bis hin zu seiner Vernichtung kann im Rahmen fundamentalistischer Ideologien und Alltagstheorien eine toxische Sicherheit versprechen. Diese ist allerdings schon deshalb nie am Ziel, weil Fremdheit bis in uns selbst hineinreicht: In tiefen Schichten bleiben wir uns selbst fremd.
Heringhaus sucht in seiner Masterarbeit nach Wegen des Selbst- und Fremdverstehens, für die eine umfassende Kommunikation Grundlage ist, ein sprachliches, leibliches und handelndes Sichzeigen und Sichzeigenlassen, das neben Sprache auch Körpersprache, Kunst, Musik etc. umfasst. Methodisch: Schüler:innen müssen ihre Lebensentwürfe und Wertvorstellungen sich selbst und einander erzählen können. Auch die Lehrperson muss ihren Wertekontext offenbaren dürfen und zugleich zeigen, wo sie unsicher ist, was sie verunsichert und wie sie damit umgeht. Entscheidend ist dabei die praktische Erfahrung, dass die eigenen und die fremden Perspektiven auf die Welt unauslotbar sind (Waldenfels) und dass die eigenen und die fremden Sprachspiele (Wittgenstein) gelernt, aber nicht letztbegründet werden können. Ziel ist weder totale Sicherheit noch Universalismus. Der Rahmen der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung muss gleichwohl fest sein, damit darin Vielfalt möglich ist, Unabgeschlossenheit, Sinnsuche und offene Kommunikation.
Autor: Prof. Dr. Philipp Thomas